31 Aug


Die Krux mit richtig richtig guten Büchern ist die: nein, es gibt überhaupt keine Krux mit guten Büchern. Nur kann man nicht über sie schreiben. Kann man natürlich schon, aber wenn man das Buch liebt, will man es nicht beschreiben. Eine Inhaltsangabe ist dann was für Penner, ein Urteil über den Gehalt, den Stil, und die Ideen des Buches sind einfach nur peinlich und unangemessen. Arme Literaturkritiker, die ihre Seele an die Zeitung verkaufen! Hahaha… ja, was gute Bücher angeht, verkaufen die die echt, also nicht gerade die Seele, aber doch ein Stück von der Liebe, und: the readers decency. – Den Anstand und die Ehrsamkeit, die der angerührte Leser dem Buch gegenüber verspürt, mit dem er sich verbunden hat.

Ok, ist gut jetzt.

Aber jedenfalls bringt mich das jetzt in folgende Situation: ich will hier sagen, wie gut mir Jonathan Franzens Buch „Freedom“ gefallen hat, aber ich will eigentlich nichts über das Buch sagen.

Mit der readers decency lässt sich allerhöchstens und mit unangenehmem Beigeschmack vereinbaren, dass ich ein paar Stichwörter einwerfe: Wie ungelebte Ideen ein Leben beeinflussen  können – was passiert, wenn man das Ungelebte nachholt – wie sich verfestigende Ideen und das Konservieren von Überzeugungen wie ein Gefängnis wirken – Gewordenheit von Persönlichkeiten und Situationen, Gewordenheit von allem – Ein Leben schließt immer ein anderes Leben aus – Diese Freiheit ausschließen, damit sie nichts anrichten kann oder jene Freiheit umzäunen, damit ihr nichts passiert? – „Freiheit“-wtf? – Usw.

Das war natürlich schon wieder viel zu viel, auch viel zu abstrakt und bescheuert, aber wie gesagt, ich bring das nicht fertig hier so blöde Informationen einzustreuen wie „Bürgerliches Milieu“, „Familiengeschichte“, „Vererbung von Problemen“, „kritische Reflexion eines US-amerikanisch geprägten Freiheitsbegriffs“, „wunderschöne Schilderung von Allerweltseheproblemen“, usw, kotz, kotz, kotz…

Ohmann, ich bewege mich auf dünnem Eis!

Deshalb nur noch eins: zwei Zitate. Und das ist absolut erlaubt!

(S. 184): „USE WELL THY FREEDOM“

und

(S. 268) „Freedom is a pain in the ass“

!

Noch ein Senf zu Schoßgebete

20 Aug

Charlotte Roche ist eine bahnbrechende Autorin. In dem Interview das Du erwähnt hast, sagt sie auch, dass sie beim Schreiben eines Buchs den Anspruch hat, etwas vollkommen Neues zu produzieren. Und das tut sie auch, was eine Sensation ist.
Ich kann auch nicht verstehen, dass so viele Journalisten das erste Buch „Feuchtgebiete“ wesentlich als lustig und pubertär wahrgenommen haben. Nicht, dass ich nicht auch total viel gelacht hätte dabei, aber es war auch einfach ein neuer Blickwinkel, es waren viele kleine Tabubrüche, die sich zu einem großen summieren. Und jetzt ist es wieder so, nur dass es schwerer zu verdauen ist, weil es einen direkter herausfordert. Vielleicht nur deshalb, aber vielleicht auch aus bestimmten Kritikpunkten, die ich gerade noch nicht richtig formulieren kann (oder will), fand ich das neue Buch nicht NUR gut, bzw hatte ich manchmal ein schales Gefühl beim und nach dem Lesen. Es steht aber außer Frage, dass das Buch genial und wichtig ist, und irgendwie ist ja auch gerade das schale Gefühl ein Indikator zumindest für Relevanz.

Abgesehen von den Themen (Sex, Tod, Mann, Frau, feste Beziehung, Choreographie des Alltags, Elternschaft, magisches Denken, Eifersucht, Trauma, Schuld, Angst, Therapie, Religion, Ersatz, Anspruch und Konsequenz, Offenheit und Kontrolle – ok, die Liste gerät außer Kontrolle..) – abgesehen von den Themen jedenfalls und ihrer schönen Kombination finde ich es toll an dem Buch, dass Roche und ihre Protagonistin sich ihren Problemen frontal gegenüberstellen, indem sie sie beim Namen nennen statt sie nur poetisch zu umkreisen – und dass es trotzdem Literatur ist. Es ist faszinierend, lesend Zeuge eines so ehrlichen Denkens zu werden, ohne all die Anbiederungen, die sonst auch bei scheinbarer Direktheit überall wuchern. Genau wie hier gerade. Ist nämlich eine hohe Kunst, was Roche macht. Ehrlichkeit ist ja auch eine Utopie, und Roche lässt mich an das ehrliche Denken glauben, obwohl sie selber sagt, dass sie ihre Authentizität spielt, und ich glaube ihr und glaube ihr gleichzeitig nicht. Ok, jetzt driftets hier in Quatsch mit Sauce ab.

Ich stelle behelfsweise einfach nochmal das Interview aus der ZEIT hin, falls irgendjemand unseren Blog liest. Die Fragen finde ich zwar doof, die Antworten lassen sich davon aber nicht verwirren.
http://www.zeit.de/2011/33/Roche-Hensel

Kill BILD

18 Aug

Noch mal etwas zum Thema Charlotte Roche: In ihrem neuen Buch beschreibt sie ja auch ausführlich, mit welchen Methoden die BILD-Zeitung vorgegangen ist, als der Unfall in ihrer Familie passierte. In einem Interview mit dem Tagesanzeiger sagt sie: „Die Boulevardblätter tun immer so, als würden sie alles mit spitzen Fingern anfassen. Dabei sind sie die Schlimmsten, Dreckigsten und Perversesten.“
Das ist nichts Neues, aber man kann nicht oft genug darauf hinweisen, was für elendige Schweine das sind. In jeder Hinsicht.
Und dass seit einer Weile jeder Dahergelaufene sein Gesicht für deren Werbung hergibt, ist eine Tatsache, aus der man Konequenzen ziehen sollte.

We still love you:
http://www.bildblog.de/

„Perfection“

17 Aug

Schöne Frau, schöne Stimme.

Schöne Grüße

Charlotte, Charlotte!

16 Aug

Schönen Tag meine Liebe Johanna!<3

Ich wollte dir schnell berichten, dass ich mir jetzt auch das neue Buch "Schoßgebete" von Charlotte Roche gekauft habe. Du hast es schon, richtig?

Das war nämlich so, dass ich vor wenigen Tagen im Waschsalon war und ihr Interview im ZEIT Magazin las. Als ich das Interview gelesen hatte, war es zehn vor acht und ich saß vor der Maschine "Madrid", die mir noch 40 Minuten anzeigte. Ich hatte plötzlich so wahnsinnige Lust darauf, dieses Buch zu lesen, dass ich aus dem Waschsalon stürmte und in den nächsten Buchsalon gehechtet bin, wo die Verkäuferin gerade im Begriff war die Türe abzuschließen.

Ich bat sie kurz, mich noch schnell reinzulassen und mir dieses Buch zu verkaufen. Das tat sie und danach waren wir beide glücklich.
Also ich auf jeden Fall.
Und jetzt bin ich auf Seite 47 und wir müssen unbedingt darüber reden. Hast du es schon gelesen?Ich finde das sooo gut bis jetzt. Die Themen sind super, finde ich. Sex in der Beziehung, die ausführliche Beschreibung ihrer Therapiesitzungen und auch wie sie die "Trennung" von ihren Eltern beschreibt. Ich mag sie so unglaublich, schon jetzt. Schon auf Seite 47.

Und dich, dich auch.
Deine Sarah

Man beachte den Hund.

10 Aug

Und auch den Rest. Gefällt, gefäällllt.

Sommer 2011

24 Jul

Wenn du dich fiebrig fühlst, iss ein Knoblauchbrot! Dunkel und kross getoastet, kein Toast, sondern Roggenbrot! Mit so viel Knoblauch drauf gerieben, wie maximal möglich und Butter erst drauf, wenn sie nicht mehr schmilzt! Verdammt lecker ist das. Und heilt. Man kann auch Salz, Pfeffer und vor allem Paprikapulver drauf machen. Wenn du Kopfschmerzen hast: das gleiche. Und bei unangemessener Traurigkeit und Verzweiflung erst recht. Bei Kälte und Schwäche: Knoblauchbrot und Bouillon! Und zwar in einer Schüssel oder einer Tasse. Da kann man noch Kräuter reinzupfen, noch besser ist aber: dünne Mininudeln, Suppennudeln genannt, die so dünn sind, das man sie nur kurz in der Bouillon mitkochen muss. Suppennudeln eben.

Verdammt nochmal.

Ich lese jetzt den ersten Krimi meines Lebens weiter.

So wollen wir tanzen

13 Jul

Extrem Laut und unglaublich nah oder: eine Buchkritik ohne Kritik

10 Jul

(01. Juli)

Liebe Sarah,

ich danke Dir sehr sehr dafür, dass Du mir das Foer-Buch dagelassen hast! Ich habe gestern den ganzen Tag draußen verbracht und habe dieses Buch, dem ich ja so skeptisch gegenüber war, und dessen graphische Formsprache ich intolerant wie ich manchmal bin insgeheim schon als popart-möchtegern-Aufspielzeug gestempelt hatte, dieses Buch habe ich in einem Zug gestern durchgelesen, und nicht etwa weil es so leichte Kost wäre, die man sich reinzeiht wie Schokolade, sondern, weil es SO SCHÖN UND TOLL war!! DANKE! Du hast meinen Horizont erweitert! Und ich habe nicht einmal auf die Uhr geguckt (hatte auch keine), und konnte dem Verlauf der Sonne von Osten nach Westen folgen, während ich von morgens bis abends auf der Bank saß und voller Lust gelesen hab. Das war SO SCHÖN!… So, wie ich mir Lesen immer wünsche und wie ich mir mich selbst immer wünsche. Das Buch ist wirklich total toll! Was für ein Buch!

Liebe Grüße

Johanna (Herz)

(11. Juli)

Johanna!

Ich habe das Buch jetzt auch gelesen. Also in den letzten Tagen und heute aber das größte Stück. Und du hast recht: Das ist so ein unfassbar wunderschönes Buch, dass es kaum auszuhalten ist. Glaubst du eigentlich, das ist das erste Buch, das uns beiden gleich gut gefällt? Und wenn ja: wie können wir das herausfinden?

Ach, ich habe die ganze Zeit so mit dem Protagonisten (Oskar!) mitgefiebert und ich mag ihn so. Und jetzt habe ich einen großenTrennungsschmerz weil er weg ist. Ich weiß gerade nicht ob ich jemals wieder ein anderes Buch lesen kann/will. Aber das ist bestimmt nur so, weil alles noch so frisch ist. Hab das Buch ja vor einer Stunde erst zugeklappt. Nachdem man eine riesengroße leckere Pizza gegessen hat, denkt man ja auch, dass man nie wieder eine ganze Pizza essen wird, die so gut schmeckt. Überhaupt kann man sich nicht vorstellen, jemals wieder Hunger auf Pizza zu haben. (Das hatte ich gestern). Jedenfalls ist Jonathan Safran Foer mein neuer/alter Held. weil „Tiere essen“ fand ich auch gut, das kann man jetzt natürlich überhaupt nicht vergleichen, aber egal. Und ich wollte dir noch sagen, dass deine Skepsis was die Grafiken in dem Buch angeht, völlig berechtigt war. Denn NORMALERWEISE sind Grafiken in einem Roman fast immer total daneben oder einfach nur behämmert. Hier ist alles anders. „Extrem laut und unglaublich nah“ hat mich glücklich gemacht. Und traurig. Puh.

Was lese ich denn jetzt?

Liebe Grüße

Sarah (Lunge)

PS.: Bei Amazon hat jemand das hier geschrieben: „Mit Alles ist erleuchtet kann sein zweiter Roman jedenfalls nicht ganz mithalten. Weniger wäre mehr gewesen.“ Ich denke: Entweder ein Idiot (kannsein) oder der erste Roman ist noch besser (kannnichtsein).

Bitte nicht!

10 Jul

Hallo meine liebste Johana,

das Bild kommt von diesem Blog: http://www.notesofberlin.com/ und ich musste heute daran denken, als ich hier in meiner Straße auch so ein Schild gesehen habe. Darauf stand:

„Liebe Hundebesitzer,

bitte lasst eure Tiere nicht auf die Gehwege kacken. ALLE Bewohner in dieser Straße stört das.“

Standart, denn solche Zettel hängen ja (besonders in Berlin) an jedem zweiten Schaufenster. „Stimmt!“ dachte ich. Niemand, der in dieser Straße wohnt, möchte gerne in Hundedreck treten. Allerdings kenne ich niemanden in Berlin, der das gerne möchte. Und auch darüber hinaus wüsste ich nicht, dass einer meiner Bekannten aus anderen Städten sich darüber freut, wenn der Gehweg mal wieder zur Hundetoilette umfunktioniert wurde. Mit Sicherheit gibt es sogar auf der ganzen Welt nicht einen Menschen, der einen Hundehaufen auf dem Gehweg erblickt, zielstrebig darauf zusteuert und mit einem zufriedenen Seufzen hineintritt. Das heißt, man könnte den Zettel ergänzen, indem man „und auch alle anderen Leute auf der ganzen WELT!“ hinzuschreibt.

Das klingt ganz schön hart. Aber ob das abschreckender wäre? Da fallen mir übrigens noch eine ganze Menge anderer Dinge ein, die ich gerne auf Zettel schreiben und in Berlin verteilen würde. Auch, wenn es nicht immer Dinge sind, die auf der ganzen Welt gehasst werden. Aber dort, wo ich mich gerade befinde, würde ich aus aktuellem Anlass zum Beispiel gerne das hier aufhängen:

„Liebe Trommler im Park,

auch wenn es bestimmt viel Spaß macht und ihr euch vielleicht sogar in einen meditationsartigen Zustand trommeln könnt: Ich kenne eine Menge Leute, die sich durch Trommelgeräusche gestört fühlen. Also hört auf damit!“

Es gibt einfach diese Dinge, die von der Masse (und damit meine ich mich, dich und unsere Freunde) einfach nicht gerne ertragen werden. Wir könnten Zettel schreiben, mit all diesen Dingen.“Hallo Menschen! Ihr solltet andere Menschen ausreden lassen. Alle Leute die ich kenne, werden nicht gerne mitten im Satz unterbrochen“ und so weiter. Wir könnten. Wenn das ganze so gar keine faschistoiden Züge hätte. Und wenn ich dann nicht so etwas schreiben müsste:

„Liebe Zettelschreiber! Bitte hört auf damit. ALLE Leute auf der Welt sind genervt davon.“

Hab einen schönen Sonntag. (In drei Tagen sehen wir uns schon.)

S.